Allen Klagen zum trotz: Unsere Sprache befindet sich in einem unumkehrbaren Prozess der Veränderung. Immer mehr Begriffe werden im täglichen Sprachgebrauch durch englische Begriffe ersetzt. Es wird gecastet, gechattet und gechillt was das Zeug hält. Wir haben keine Besprechungen mehr, sondern Meetings. Wir haben keine Verabredung, sondern ein Date. „Denglisch“ wird diese Sprache auch gerne genannt. Mitunter treibt sie seltsame Blüten. Andererseits trifft sie manchmal Nuancen, die unsere Alltagssprache so nicht hergibt. „Commitment“ ist so ein Wort, für das es eigentlich kein richtig treffendes Pendant gibt. Trotzdem klingt es in unseren Ohren immer noch ungewohnt, wenn man „ein Commitment eingehen“ oder sich gar „auf etwas committen“ soll.
Andere Begriffe sind schon längst in unseren alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen. Den Satz „Ich gehe Joggen“ würde heute niemand mehr als Denglisch abtun. Und auch hier schließt der aus dem Englischen entlehnte Begriff eine Lücke. Denn das deutsche Wort „Laufen“ kann sowohl einen schnellen Ausdauerlauf meinen, als auch gemütliches Gehen. Beim Joggen weiß jeder was gemeint ist. Turnvater Jahn hätte es trotzdem nicht verstanden. Und wie sagt man eigentlich „Interview“ auf Deutsch?
Insbesondere die Fachsprache ist durchsetzt von Anglizismen. Marketiers, Medienschaffende, Unternehmensberater oder Informatiker beispielsweise kommen längst nicht mehr ohne aus. Oft ist es eine Frage der internationalen Verständigung und der Wahl einheitlicher, klar definierter Begrifflichkeiten. Aber die Fachsprache kann auch eine Art Code darstellen, durch den man seinesgleichen erkennt und Fremde ausschließen kann. Das Gleiche gilt übrigens auch für andere sprachliche Codes wie die Jugendsprache oder die Gaunersprache früherer Zeiten.
Aber zurück zum Denglisch. Was auf den ersten Blick wie moderne Verirrungen einer globalisierten Welt erscheint, ist genauer betrachtet kein so neues Phänomen. Die zunehmende Durchsetzung unserer Sprache mit aus dem Englischen entlehnten Begriffen beginnt an sich schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Zu der Zeit kommen erstmals neue Einflüsse durch die US-amerikanische Kultur nach Europa. Auf die „Roaring Twenties“ folgen die unseligen Jahre barbarischer Deutschtümelei, in denen die völkische Kultur und Sprache nach Kräften von solchen undeutschen Einflüssen gesäubert wurde. Nach dem 2. Weltkrieg kamen der Rock’n Roll und die Deutsch Amerikanische Freundschaft. Schon längst ist es selbstverständlich, dass englischsprachige „Songs“ (nicht Lieder!) Unsere Hitparaden (müsste es nicht Trefferparaden heißen?) dominieren.
Deutsch bis in die Knochen ist unsere Sprache allerdings nie gewesen. Kulturelle und wissenschaftliche Entwicklungen, aber auch kriegerische Ereignisse haben von je her auf das Deutsche abgefärbt. Unser Sprachgebrauch ist durchsetzt von Begriffen aus dem Altgriechischen, Latein und Französisch. Schon im Mittelalter kam mit der angehenden deutschen Kaiserin Theophanou die Essenz dessen über die Alpen, was neben der Bibel bis heute die geistigen Grundlagen des so genannten christlichen Abendlandes bildet. Im Gepäck ihres Gefolges kamen unzählige Schriften auf Altgriechisch, wie die von Aristoteles, und in anderen Sprachen.
Griechisch und Latein wurden bald zu Gelehrtensprachen. Auch sie waren die Basis für einen Code, den nur Eingeweihte beherrschten. Bis heute prägen sie den Sprachgebrauch naturwissenschaftlicher, medizinischer und anderer Fakultäten. Doch viele Begriffe sind auch in unsere Alltagssprache übergegangen, wo sie mitunter ebenso sinnentstellt verwendet werden wie so manche Stilblüte im Denglischen. Man denke nur daran, für was der altehrwürdige Begriff der Philosophie heute alles herhalten muss. Philosophia, die Liebe zu Wissen und Weisheit, ist weit mehr, als der tägliche Sprachgebrauch uns glauben macht.
In der Zeit der Aufklärung kam Französisch in Mode. Es wurde am Hofe gesprochen, zum Beispiel bei Friedrich dem Großen. Deutsch galt als unfein. Aber auch die Sprache des einfachen Volkes adaptierte vieles aus dem Französischen. In Köln erzählt man sich bis heute viele aufschlussreiche Geschichten aus der Zeit der französischen Besatzung unter Napoleon. Aus dieser Zeit soll der Begriff „Visimatenten“ stammen. Die schmucken französischen Soldaten, die auf dem Neumarkt campierten (ist Camping Denglisch?) Haben wohl immer wieder junge, gut aussehende Kölnerinnen gefragt: „Vous voulez visité ma tente?“ (Wollen Sie mein Zelt besuchen?) Daraus haben besorgte Väter gemacht: „Mädchen, keine Visimatenten machen, hörst Du?“ Das war dann wohl Dranzösisch. Oder Freutsch. Heute gehört der Begriff an Rhein und Ruhr zum festen Sprachgebrauch für Unsinn oder Dummheiten. Die breit ausgebauten Straßen, über die Napoleons Truppen marschierten, nennt man übrigens bis heute Chausseen.
Niemand weiß, wie lange sich Englisch als Weltsprache halten wird. Unsere Sprache hat schon einige Welt- und Gelehrtensprachen überdauert und sich aus ihnen bedient. So manche gilt heute als tote Sprache. Vielleicht sprechen wir schon bald Dinesisch. Oder Indeutsch. Sprache beinhaltet Wechselwirkung und Veränderung. Oder nicht?
Cantina! Salud!
Salud!
Bei den ‚Hitparaden‘ alias ‚Trefferparaden‘ hatte ich eigentlich vor, „Schlagabwehr“ (hit-schlagen, parade/parer-abwehren) einzuwerfen, aber es wäre schade, diesen gelungenen Beitrag zu verfleddern – wenngleich ich dann mit ‚fleddern‘ auch wieder extragermanisch abgeglitten wäre….uy!
Gerne gelesen, Danke!
So kann man es natürlich auch sehen. Wir sollten mal in so ein – wie heißt das in Mexico? Na wo man Tequila zusammen trinkt und gesalzene Kakteen mit Würmern kaut. Ach egal. Ich glaube wir verstehen uns. Ist jedenfalls genau der richtige Ansatz!