Nach der Katastrophe auf der Love Parade wird das Sommerloch wohl ausfallen. Die Medienmaschine läuft auf Hochtouren. Nicht nur in Deutschland. Die internationale Presse von Frankreich bis China berichtet über das schreckliche Ereignis. Und über allem steht die Frage der Verantwortung.
Eine schnelle Aufklärung ist im öffentlichen Interesse. Und da auch ausländische Staatsbürger zu Schaden, ja sogar zu Tode gekommen sind, steht auch ein Stück weit die Reputation Deutschlands in der Welt auf dem Spiel. Es erscheint regelrecht zynisch, dass sich eine solche Katastrophe sich in einem Land ereignet hat, das international für höchste Sicherheitsstandards steht. Der deutsche TÜV ist sogar ein Exportschlager.
Allerdings wird es die gewünschte schnelle Aufklärung nicht geben. Das hat die Duisburger Staatsanwaltschaft heute klargestellt. Sie spricht von Wochen, vielleicht sogar Monaten, die benötigt werden.
Derweil läuft die Medienmaschine auf Hochtouren. In der Tat erscheinen die Indizien, die für ein fahrlässiges Handeln der Veranstalter sprechen, erdrückend. Gleichzeitig ist ihnen echte Betroffenheit anzumerken. Gut. Alles andere wäre wohl auch nicht nachvollziehbar. Doch wenn sie derzeit schlecht schlafen, dann sicher nicht nur deshalb, weil sie um ihren Kopf fürchten.
Aber die Grenzen zwischen Aufklärung und Vorverurteilung sind fließend. Einige Medien gießen mächtig Öl ins Feuer. Das macht sofort die Runde, wird online, im Print und Hoerfunk aufgegriffen. Ist das Bild das entsteht realistisch? Gibt es vor solchen Großveranstaltungen vielleicht regelmäßig Mahner und Bedenkentraeger? Werden sie vielleicht nur dann im Nachhinein gehört, wenn etwas schief geht? Man weiß es nicht. Auf Facebook und in den Kommentaren zu den Online-Artikeln der Leitmedien jedenfalls sind die Schuldigen längst ausgemacht. Im Netz meldet sich ein wütender Mob zu Wort. Ums so wichtiger, dass der Journalismus seiner Sorgfaltspflicht nachkommt und sich um eine ausgewogene Berichterstattung ohne Sensationsgier bemüht.
Auch zum Boykott von McFit wird bereits aufgerufen. Die Fitness-Kette ist nicht nur Hauptsponsor der Love Parade, sondern in der Person Rainer Schallers als Geschäftsführer der Lopavent GmbH auch Veranstalter. Ist er verantwortlich für die Sicherheitsmängel? Viele äußern lautstark die Überzeugung, dass die Katastrophe vor allem seiner Profitgier geschuldet ist. Doch Vorsicht an der Bahnsteigkante: Tausende Betreiber von Fitness-Studios warten schon lange auf die Gelegenheit, ihre Rechnung mit Schaller zu begleichen. Eine komplizierte Gemengelage aus Betroffenheit, Meinung und vielleicht anderen Interessen? Auch das weiß man nicht.
Sicher haben die Beteiligten insgesamt kein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgegeben. Wie auch, angesichts einer Katastrophe von solchen Ausmaßen? Trotzdem: Viele Journalisten sprechen angesichts der Pressekonferenz am Sonntag von einer Farce. Auf der Facebook-Seite von McFit – und längst nicht nur dort – sammelten sich kritische Kommentare. Die einzige Reaktion war zunächst die Löschung von Posts. Es mag zutreffen, dass diese zynisch und menschenverachtend waren, wie bei McFit zu lesen war. Was aber fehlte, war eine Stellungnahme von McFit selbst. Es dauerte fast 24 Stunden, bis ein kurzes Statement auf Facebook und der Homepage (wo zunächst noch die fröhliche Werbung für die Love Parade zu lesen war) erschien. Die User auf Facebook hatten das zu diesem Zeitpunkt längst eingefordert.
Die Erfolgsstory von McFit ist eng mit der Love Parade verbunden. Am Sonntag hat Schaller selbst das Ende der Love Parade verkündet…
Was bleibt ist Trauer, Entsetzen, Betroffenheit. Es werden Lehren daraus zu ziehen sein. Und an erster Stelle muss die Frage nach der Verantwortlichkeit geklärt werden. Nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Einer der Grundsätze unserer Rechtsprechung lautet: In dubio pro reo – im Zweifelsfalle für den Angeklagten. Derzeit laufen die Ermittlungen offiziell gegen Unbekannt. Es gibt noch keine Angeklagten. Und Anklage zu erheben ist noch immer Sache der Gerichte.
Update 26.07.2010, 18:15 Uhr: Mittlerweile wurde gegen Rainer Schaller Anzeige wegen fahrlässiger Tötung erstattet.