Von Zeit zu Zeit kauf ich mir die Straßenzeitung fityfifty. Das engagierte Projekt gibt Obdachlosen eine Chance, eine Aufgabe zu finden, sich etwas dazuzuverdienen und vielleicht sogar einmal dem Teufelskreis von Obdachlosigkeit – oft mit Sucht, immer mit gesellschaftlicher Ausgrenzung verbunden – zu entkommen. Der Copypreis von 1,80 geht zur Hälfte an die Verkäufer/innen. Fifty-Fifty eben.
Ich kaufe das Blatt aber nicht nur deshalb. Ich kaufe fiftyfifty vor allem, weil es eine wirklich gute Zeitung ist. Lange Zeit habe ich die Verkäuferinnen und Verkäufer ignoriert, das gebe ich zu. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass da was wirklich interessantes drin steht. Irgendwann stand mal einer von ihnen still und friedlich vor einem Supermarkt und zeigte nur seine Zeitungen. Er wurde wiederholt von einem Vorbeigehenden beschimpft und aufgefordert zu gehen. Daraufhin habe ich demonstrativ eine Zeitung gekauft.
Schließlich war ich überrascht, wie gut das Blatt gemacht ist. Es berichtet engagiert zu gesellschaftlichen Themen, findet immer wieder Prominente, die jenseits von Boulevard und Glamour interessante und aufschlussreiche Interviews geben. Einige hintergründige Stories erfolgen als Nachdruck mit freundlicher Genehmigung renommierter Verlage. Der Humor kommt auch nicht zu kurz. Vor allem aber gibt fiftyfifty Einblicke in das Leben auf der Straße. Sie berichtet auch aus dem Leben der Verkäufer, erklärt wie und warum sie in ihre soziale Schieflage geraten sind und was die Arbeit für fityfifty ihnen bringt.
Gestern habe ich mich nach längerer Lesepause richtig gefreut, den fiftyfifty-Verkäufer mal wieder zu sehen. Ganz verschüchtert und ohne Worte hat er mir das Blatt verkauft. An Stelle des üblichen Editorials des engagierten Dominikanermönches Bruder Matthäus fand sich ein Geleitwort von Bundespräsident Horst Köhler. Respekt, da möchte wohl wirklich einer Präsident für alle Deutschen sein. Er rief dazu auf, ein Zeichen zu setzen und das Blatt zu kaufen, weil es den Obdachlosen ein Gesicht gibt und ihre Geschichten aus einem Blickwinkel erzählt, wie sie sich sonst in keiner Zeitung finden. Und weil das Projekt den Verkäufern eine Perspektive gibt. Außerdem gibt es ein großes Titelinterview mit Bob Dylan. Ich habe mir die Worte des Bundespräsidenten zu Herzen genommen und werde fiftyfifty jetzt öfter kaufen.