
Heute war ich zum ersten mal seit Jahren wieder auf derwesten.de. Nicht, weil es auf dem Portal etwas besonders Interessantes gäbe. Nein, ich wollte wissen, was einen Verlag veranlasst, so massiv auf seinen digitalen Selbstmord hinzuarbeiten. Eine Antwort habe ich nicht gefunden.
Der erste, sehr erfolgreiche Schritt in dieser Richtung wurde schon vor ein paar Jahren vollzogen. Bei uns in der Region gibt es zwei richtig starke regionale Tageszeitungen mit eingeführten Marken: Rheinische Post (RP) und NRZ. Ein paar Leute lesen noch die WAZ, aber die fällt hier nicht so ins Gewicht. Die dafür umso mehr etwas weiter westlich. NRZ und WAZ gehören bekanntlich zur WAZ Mediengruppe.
Der Wettbewerb ist hart und ein guter Regionalteil zählt – Print und online. Dann wurde mit viel Tamtam der Westen aus der Taufe gehoben. Und mit einem gigantischen Werbebudget wurden eingeführte, starke Marken wie NRZ und WAZ aus dem Netz verbannt und in die Tonne getreten.
Jahrelang war die Startseite in unserem heimischen Internetbrowser nrz.online (würde ich jetzt gerne verlinken, aber die gibt es eben nicht mehr). Der Westen konnte diese Position nicht eine Woche verteidigen. Für meinen Geschmack ein spiegel-online-Abklatsch mit Lokalkolorit ohne eigene Identität. Nichts womit man sich in der Region identifiziert. Seitdem ist unsere Startseite RP online.
Redakteure schmollen, einige hauen ab. Und immer wieder wird noch eins drauf gegeben. Wir machen den digitalen Selbstmord perfekt. Ein Internetausdrucker wird Chefredakteur!
Gedruckt bevorzuge ich immer noch die NRZ. Aber den Print-Marken geht es ebenfalls mehr und mehr an den Kragen. Wie andere Verlage auch, erlag die Gruppe den Einflüsterungen der Unternehmensberater (die auf Kosten der Redakteure sicher dicke Summen einstreichen konnten) und hat einen zentralen Content-Desk eingerichtet. Da dürfen nun auch die letzten Mohikaner der Online-Redakteure hin.
Jetzt müssen nur noch die Print-Marken konsolidiert werden. Nennt sie doch gleich alle IWNN – Im Westen Nichts Neues! Dann sind die Traditionsmarken endlich völlig ruiniert.
Das ist halt der Trend der Zeit – irgend etwas wird eben immer optimiert, und wenn dabei die eigentliche Kompetenz eines Verlages (und ich meine jetzt nicht die Geschäftsführung) langsam aber sicher erwürgt wird. Das scheint leider Gottes die Entwicklung zu sein, die überall bei den Tageszeitungen festzustellen ist. Zuerst werden die verbliebenen Wettbewerber in der Regel in einem Verlag zusammengeführt, dann werden die Online-Redaktionen zusammengelegt, dann die Mantelredaktionen (sofern nicht sowieso 95 Prozent von dpa und Co. geliefert werden) und zum Schluss trifft es die Lokalredaktion. Und keiner wirklich keiner von den Verantwortlichen legt einen Stop ein und betrachtet sich diese Entwicklung einmal in Ruhe und überlegt, ob es nicht vielleicht anders sogar besser geht. Stattdessen wird wieder einmal irgendein Klagelied angestimmt – in der Regel über Google – und die Lemminge laufen weiter. Und zur Ernennung von Herrn Reitz ist mir bereits im Dezember nicht mehr viel eingefallen, außer der Story mit Bock und Gärtner. Aber ehrlich gesagt, den“derwesten.de“ muss man nicht unbedingt vermissen, dafür war das Angebot von Beginn an zu glatt und weichgespült. Aber wie schon gesagt, das machen eben alle so und dann gehen eben auch alle mit diesem Vorgehen (ich weigere mich, in diesem Zusammenhang von Konzept zu sprechen) baden.